Gedanken zu neuen Formaten und neuer strategischer Ausrichtung
In der letzten Woche wurde angekündigt, dass der Fachbeirat des GBV eine Arbeitsgruppe zum Thema Personalentwicklung und Fortbildung einrichten will - und zwar insbesondere auch mit Blick auf die Herausforderungen, die sich durch die Einführung von Folio ergeben werden. Für viele Bibliotheken wird sich dann – neben der Migration von Daten und der Einrichtung der Grundfunktionalitäten – die Frage stellen, wie eigene Erweiterungen des LBS bzw. seine Einbindung in andere Dienste in die Folio-Welt zu überführen sind. Darüber hinaus wird Folio die Möglichkeit bieten, bisher vom Bibliothekssystem isolierte Dienste wie beispielsweise eine Raumbuchung in die Plattform zu integrieren. Und schon jetzt sind die Systembetreuung sowie die Entwicklung von digitalen Bibliotheksdiensten vielerorts personell stark unterbesetzt und in der Regel auch zu wenig vernetzt mit den klassischen Abteilungen, wenngleich die Pandemie und der daraus entstandene Digitalisierungsschub mitunter geholfen hat, Entwicklungen zu beschleunigen – aber eben auch gezeigt hat, dass die aktuelle Personal- und Organisationsstruktur für jetzige und künftige Herausforderungen verbessert werden muss.
Darüber gemeinsam und über verschiedene Häuser hinweg nachzudenken ist insofern sicher eine gute Idee, zumal es inzwischen die ersten formal als solche ausgebildeten Bibliotheksinformatiker*innen gibt und damit im Grunde eine Traumbesetzung für Stellen im Bereich der digitalen Dienste. Es steht jedoch zu vermuten, dass diese neue Gruppe die Bedarfe nicht decken kann, zum einen, weil es einfach nicht genug von ihnen gibt, zum anderen, weil diese Ausbildungen richtigerweise eben keine Schulungen für die Administration eines LBS oder die Konfiguration von DSpace oder VuFind und deswegen auch nicht zwangsläufig die sofortige und vollumfängliche Handlungsfähigkeit bei diesen Aufgaben garantieren. Und auch davon abgesehen ist die Idee falsch, dass es mit Bibliotheksinformatiker*innen die eine Schnittstelle zwischen Bibliotheks-IT und dem Rest der Bibliothek gibt. Vielmehr sollte die gesamte Bibliothek in der Lage (und auch angehalten) sein, in digitalen Diensten und Nutzungsszenarien zu denken – das heißt die Katalogisiererin sollte wissen, was mit ihren Daten auf dem Weg in das Discovery-System passiert, oder der Auskunftsbibliothekar sollte Anforderungen an eine selbsterklärende Website formulieren.
Daraus wiederum ergibt sich eine Agenda für die bibliothekarische Fortbildung jenseits des weiterführenden Studiums. Metadatenmanagement, Entwicklung von User Stories, Arbeit mit Wireframes, Basiswissen zu Webtechnologien und Programmiersprachen – für diese und ähnliche Themen gibt es mitunter zwar so etwas wie eintägige Fortbildungen, die aber oft eher den Charakter von Schnupperangeboten haben und wenig tatsächliche Handlungsfähigkeit vermitteln. Diese Angebote können aber Interesse wecken für mehr, nämlich umfangreichere Kurse zu diesen Themen, gerne auch mit einer Art Zertifikat am Schluss – so wie es, als meines Wissens nach einzige Einrichtung in Deutschland, die Stuttgarter Hochschule der Medien mit ihrem Kontaktstudium macht. Überhaupt sind natürlich die bibliothekarischen Ausbildungsstätten die Stellen, von denen man mehr im Bereich der Fortbildung erwarten könnte, also Angebote, die nicht gleich ein ganzer Master sind, wohl aber ein „ordentlicher“ Kurs über einen längeren Zeitraum hinweg.
Und dann wäre da noch das „Library Carpentry“-Konzept, das sich als Teil einer internationalen Bewegung im letzten Jahr auch in Deutschland etabliert hat. Unter diesem Titel gibt es sowohl eintägige Workshops, die einen ersten Einblick in das Programmieren geben, als auch dauerhafte Treffen wie z.B. bei ZBMED in Köln, wo Konrad Förstner und sein Team die Idee mit regelmäßigen Hacky Hours verstetigt haben, zu denen sich Bibliothekskolleg*innen treffen und ihre Projekte diskutieren und gemeinsam vorantreiben. Nachdem in den vergangenen Monaten gelernt wurde, dass auch virtuelle Treffen sehr produktiv sein können, lassen sich sicher Formate wie Anwendertreffen, die sonst nur einmal im Jahr stattfinden, häufiger durchführen und zu lebendigen Foren für Austausch und wechselseitigem Lehren und Lernen entwickeln – und damit vielleicht auch den auf der Verbundkonferenz immer wieder identifizierten Graben zwischen Facharbeitsgruppen und bibliothekarischer Basis überwinden helfen.
Das alles erfordert natürlich, dass dem Thema Fortbildung auch strategisch Vorrang eingeräumt wird. Insofern ist es wirklich gut, dass die Direktor*innen im GBV diese strategischen Bedeutung unterstrichen haben, indem sie die AG einberufen werden und in der Folge dann auch gute Möglichkeiten für ihre Mitarbeiter*innen schaffen, an bestehenden und künftigen Angeboten teilzunehmen, so dass sich IT-Wissen und Kompetenzen zur Entwicklung von IT-Diensten verbreitern. Vielleicht müsste sich die AG darüber hinaus auch mit Fragen der Organisationsentwicklung beschäftigen, wenn es zunehmend digitale Projekte geben soll. Janna Brechmacher hat vor ein paar Jahren auf dem Bibliothekartag die Frage diskutiert, wie IT in Bibliotheken organisiert ist und damit zum Nachdenken darüber angeregt, die gängigen Organisationsmodelle zu hinterfragen.